Die Volkswirtschaften der Europäischen Union laufen von einer Inflation über eine Hyperinflation direkt auf eine Rezession zu. Im Klartext bedeutet dies, dass unser Geld ständig an Wert verliert und die wirtschaftliche Situation sicher immer weiter verschlechtert.
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
EZB-Politik und wie sie die Rezession beeinflusst
Auf der einen Seite haben die privaten Haushalte immer weniger Geld. Auf der anderen Seite erhöhen sich die Preise für Lebensmittel und andere Güter.
Um die Rezession aufzuhalten und die Konjunktur wieder in die entgegengesetzte Richtung zu lenken, verfolgt die Europäische Zentralbank – kurz: EZB – in Brüssel eine bestimmte Leitzinspolitik. Hierbei wird die Konjunktur durch die Erhöhung oder die Absenkung des Leitzinses direkt beeinflusst. Eine Erhöhung soll z. B. dafür sorgen, dass die Inflation wieder zurückgeht und die Sparrate steigt.
Was ist der Leitzins?
Wer den Leitzins verständlich erklärt, spricht von einem festgelegten Zinssatz, der wichtig ist, wenn eine Geschäftsbank – hierzu gehören die Sparkassen und die Volksbanken – sich Geld bei der für sie zuständigen Zentralbank leiht.
Hinter der Zentralbank verbirgt sich eine öffentliche Institution, die für die Währung eines Landes oder eines Währungsraums zuständig ist. Vor der Einführung des Euros hat die Deutsche Bundesbank diese Verantwortung übernommen. Doch schon lange vor dem 1. Januar 2002 – dies war der Startschuss für eine gemeinsame Währung in Europa – galt die Europäische Zentralbank in Brüssel für alle Geschäftsbanken innerhalb des Währungsraums als einheitliche Zentralbank.
Eine Aufgabe der Zentralbank in Europa besteht darin, an die Geschäftsbanken Geld zu verleihen. Überdies soll den Sparkassen und Volksbanken auch die Möglichkeit eingeräumt werden, Geld bei der Zentralbank anzulegen. Für diese Transaktionen wird ein bestimmter Zinssatz festgelegt. Dies ist der Leitzins.
Die EZB nutzt die Festlegung des Leitzinses zur Steuerung des Geldmarktes. Hierdurch beeinflusst sie die wirtschaftliche Lage der Volkswirtschaften in Europa und kann die Konjunktur in eine bestimmte Richtung lenken. Denn wenn eine Geschäftsbank sich Geld bei der EZB leiht, wirkt sich dies auch auf die Unternehmen und die privaten Haushalte aus.
So gibt die Geschäftsbank den Leitzins bei der Vergabe eines Kredites an den Kreditnehmer weiter. Das Auf und Ab des Leitzinses wirkt sich aber noch in anderen Bereichen aus. Sie betreffen z. B. die Finanzierung von Immobilien, die Sparguthaben privater Geldanleger bei der Bank und die Transaktionen auf dem Finanzmarkt.
Welche Aufgaben hat die Europäische Zentralbank
Neben der Verwaltung des Leitzinses übernimmt die EZB noch weitere Aufgaben. Hierzu gehören:
- Die Umsetzung der Geldpolitik mit Mindestreserven
- Die Durchführung von Devisengeschäften
- Das Verwalten der Währungsreserven im Euroraum
- Die Sicherstellung des Funktionierens von Zahlungssystemen
Video: Hohe Inflation: EZB erhöht Leitzins auf 3,5 Prozent
Die Umsetzung der Geldpolitik mit Mindestreserven
Neben der Leitzinspolitik verfolgt die EZB auch die Mindestreservenpolitik. Als Mindestreserve gilt die Pflichteinlage der Geschäftskonten auf den Girokonten bei der EZB. Die Verwaltung dieser Mindestreserven liegt bei der EZB. So kann die Pflichteinlage erhöht oder wieder abgesenkt werden.
Die Durchführung von Devisengeschäften
Die EZB fühlt sich auch für die Durchführung von außerbörslichen Devisengeschäften verantwortlich. Hierbei werden zwei Währungen gegeneinander ausgetauscht. Ein Unternehmen nutzt diese Möglichkeit, um auch international agieren zu können.
Die Verwaltung von Währungsreserven im Euroraum
Mit dem Verwalten der Währungsreserven sichert die EZB ihre eigene Liquidität. In diesen Beständen finden sich aber nicht nur ausschließlich Währungen, sondern z. B. auch Gold.
Die Sicherstellung des Funktionierens von Zahlungssystemen
Damit die Bezahlvorgänge innerhalb der Europäischen Union – und besonders im europäischen Währungsraum – funktionieren, müssen ein oder mehrere funktionierende Bezahlsysteme installiert sein. Diese stellt die EZB zur Verfügung. Diese Zahlungssysteme gelten für den allgemeinen Geldverkehr ebenso wie für den Wertpapierhandel.
Der Leitzins bleibt unverändert
Sind das Preisniveau und der Geldwert in einer Volkswirtschaft stabil, besteht für die Zentralbank kein Grund den Leitzins zu ändern. Er bleibt unverändert.
Die Entstehung des Leitzinses
Die Festlegung des Leitzinses erfolgt durch den EZB-Rat. Dieser ist das oberste Beschlussorgan der EZB.
Der EZB-Rat setzt sich aus den Mitgliedern der EZB und den Präsidenten der nationalen Banken aller Mitgliedstaaten des europäischen Währungsraums zusammen.
Diese machen die wirtschaftliche Lage in den europäischen Volkswirtschaften davon abhängig, ob sie den Leitzins ändern oder nicht.
Hierbei ergeben sich die diese drei Alternativen:
- Der Leitzins bleibt unverändert
- Der Leitzins wird angehoben
- Der Leitzins wird abgesenkt
Der Leitzins wird angehoben
Mit der Erhöhung des Leitzinses wird das Geld teurer gemacht.
Dies führt dazu, dass das Geld immer knapper wird. Eine Geschäftsbank, die sich bei der Zentralbank Geld leiht, wendet hierfür mehr Kosten auf.
Um die eigene Wirtschaftlichkeit zu wahren, werden diese Kosten an den privaten Verbraucher und Unternehmen weitergegeben.
So muss ein Kreditnehmer z. B. einen höheren Zinssatz akzeptieren, wenn er bei der Bank einen Kredit oder ein Darlehen aufnimmt.
Allerdings besteht für ihn die Möglichkeit, den hohen Leitzinsen zu trotzen. Schließlich schreibt ihm niemand vor, bei welcher Bank er den Kredit aufnimmt.
Für einen Sparer wirkt sich die Erhöhung des Leitzinses positiv aus. Für sein Sparguthaben bekommt er höhere Zinsen. Deshalb kann festgehalten werden, dass eine Erhöhung des Leitzinses zur Absenkung der Investitionsrate und zu einem Anstieg der Sparrate führt.
Der Leitzins wird abgesenkt
Mit der Absenkung des Leitzinses wird ein gegenteiliger Effekt erzielt. Denn die Geschäftsbanken müssen nun weniger Kapital investieren, wenn sie bei der EZB Geld aufnehmen. Dies fördert auch indirekt die Konsumbereitschaft der privaten Haushalte und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Auf der anderen Seite müssen Sparer bei einer Senkung des Leitzinses Abstriche hinnehmen. Sie erhalten weniger Zinsen für ihr Sparguthaben. Folglich führt ein Absenken des Leitzinses dazu, dass die Sparrate sinkt und die Investitionsrate steigt.
Video: KAMPF GEGEN INFLATION: EZB hebt Leitzins – „Damit Inflationserwartungen der Verbraucher dämmen“
Welche Auswirkung hat eine Erhöhung des Leitzinses auf die privaten Haushalte?
Eine Erhöhung des Leitzinses wirkt sich für die privaten Haushalte in den folgenden drei Bereichen aus:
- Vermögen auf einem Sparkonto
- Zinsen bei der Immobilienfinanzierung
- Geldanlage auf dem Aktienmarkt
Vermögen auf dem Sparkonto
Der Zinsvorteil einer Leitzinserhöhung macht sich für einen Sparer in vieler Hinsicht positiv bemerkbar. Denn die Zinsen auf dem Sparbuch steigen ebenso wie die Zinsen, die die Geschäftsbank für Tagesgeldkonten oder Festgeldkonten bezahlt. Allerdings muss beobachtet werden, dass die Erhöhung der Einlagenzinsen in der Regel nicht so schnell von den Banken weitergegeben wird, wie sie die Konditionen für einen Kreditvertrag neu festsetzen. Dem Sparer stehen in diesem Fall zwei Wege offen. Er kann entweder die Bank wechseln oder seine Beschwerde bei der Bank vorbringen.
Zinsen bei der Immobilienfinanzierung
Wer eine Immobilie kauft oder einen Hausbau plant, benötigt eine solide Immobilienfinanzierung. Neben einem Teil Eigenkapital ist man in der Regel auf den Kredit einer Bank angewiesen. Wer sich nach einer der Erhöhung des Leitzinses mit diesem Vorhaben an seine Bank wendet, muss damit rechnen, dass die Konditionen des Kreditvertrages einen hohen Zinssatz vorsehen.
Die Erhöhung der Zinsen macht sich auch dann bemerkbar, wenn ein aufgenommenes Darlehen umgeschuldet wird oder eine Anschlussfinanzierung geplant ist.
Geldanlage auf dem Aktienmarkt
Von einer Erhöhung des Leitzinses könnten auch die Investoren betroffen sein, die sich mit der Geldanlage auf dem Aktienmarkt eine höhere Rendite versprechen. Allerdings kann die allgemeine Aussage – eine Leitzinserhöhung sei Gift für den Aktienmarkt – nicht aufrechterhalten werden. Deshalb sollten Aktionäre dem Zusammenhang zwischen einer Leitzzinserhöhung und der Kursentwicklung auf dem Aktienmarkt keine nennenswerte Beachtung schicken. Wer eine langfristige Geldanlage im Sinn hat, wird sich von der Leitzinspolitik der EZB nicht aufhalten lassen.
Wie wirkt sich die Senkung des Leitzinses für die Verbraucher aus?
Mit dem Absenken des Leitzinses verfolgt die EZB das Ziel, das Wirtschaftswachstum in der Volkswirtschaft wieder anzukurbeln. Deshalb profitieren Unternehmen, die Geld für eine Investition benötigen, am meisten von einer Senkung des Leitzinses. Nehmen sie bei einer Geschäftsbank einen Kredit auf, müssen sie weniger Finanzierungskosten in ihrer Kostenrechnung einkalkulieren, weil in den Konditionen des Kreditvertrages ein niedriger Zins vereinbart wurde.
Warum plant die EZB den Leitzins bei der aktuellen wirtschaftlichen Situation zu erhöhen?
Eine Erhöhung des Leitzinses führt dazu, dass die Zinsen teurer werden.
Weil dies der Fall ist, nehmen Unternehmen davon Abstand, Investitionen zu tätigen. Das Geld, das sie hierbei für die Zinsen aufwenden müssten, können sie an anderer Stelle gut gebrauchen.
Aus diesem Grund bleibt fraglich, warum die EZB gerade in dieser wirtschaftlichen Situation eine Erhöhung des Leitzinses plant. Die einfache Antwort lautet: Die EZB versucht mit der Erhöhung des Leitzinses direkt Einfluss auf die Preisentwicklung im europäischen Währungsraum zu nehmen.
Dies führt – zumindest auf längere Sicht – dazu, dass die Preise auf ein niedrigeres Niveau zurückgehen.
Denn eine Anpassung des Leitzinses führt im Ergebnis dazu, dass sich die Preise auf ein niedrigeres Niveau fallen und sich hier wieder stabilisieren. Ein Rückgang bei der Konsumgüternachfrage und der Investitionsbereitschaft führt dazu, dass sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage verschiebt.
Zieht die Nachfrage nach Gütern bei einem Preisanstieg nicht mit, muss das Angebot sich neu sortieren. Dies funktioniert nur, wenn die Produkte zu einem billigeren Preis angeboten werden. Sobald die Anbieter ihre Preise nach unten angepasst haben, steigt auch wieder die Nachfrage.
Hierzu ein Beispiel: Die Inflationsrate in Deutschland lag im April 2023 bei 7,2 %. Dies bedeutet, dass die Preise im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum um 7,2 % angestiegen sind.
Erhöht die EZB nun den Leitzins wird die Nachfrage nach bestimmten Produkten zurückgehen, weil die Preise noch weiter anziehen. Die Produkte werden hauptsächlich auf dem Konsumgütermarkt und dem Investitionsmarkt verkauft.
Weil die Nachfrage nach bestimmten Gütern zurückgeht, müssen die Anbieter eine neue Verkaufspolitik anstreben. Diese sieht vor, dass sie niedrigere Preise festsetzen.
In der Folge steigen die Konsumgüternachfrage der privaten Haushalte und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Durch die erhöhte Nachfrage geht auch die Inflation zurück. Allerdings dauert dieser Prozess in der Praxis häufig Monate.