Qualifizierungschancengesetz 2020: Was ist drin für mich?

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Viele Wege führen nach Rom: Auch der Fachkräftemangel wird mit dem Qualifizierungschancengesetz und dem „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ aus unterschiedlichen Richtungen angegangen.

Das Qualifizierungschancengesetz: Grundlegendes zur staatlichen Qualifizierungsoffensive

Die Digitalisierung schreitet weiter fort, was die Kluft zwischen mehr oder weniger qualifizierten Arbeitnehmern noch verstärkt. Nun soll das Qualifizierungschancengesetz gegen den Fachkräftemangel helfen und dazu beitragen, dass sich Arbeitnehmer auf die veränderten Anforderungen des Arbeitsmarktes einstellen können. Man spricht von einer Qualifizierungsoffensive.

Qualifizierungsoffensive: Definition

Das „Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung“ (das Qualifizierungschancengesetz) besteht seit dem 1. Januar 2019 und beinhaltet verschiedene Bausteine:

  • Erweiterter Zugang zur Förderung der Weiterbildung

    Beschäftigte erhalten Zugang zu Weiterbildung unabhängig von ihrer bisherigen Qualifikation, von ihrem Alter und der Größe des beschäftigenden Betriebs. Eine Förderung können auch die bekommen, die in einem Engpassberuf tätig sind.

  • Verbesserter Schutz in der Arbeitslosenversicherung

    Wer innerhalb von 30 Monaten auf eine Versicherungszeit von mindestens zwölf Monaten kommt, hat Anspruch auf Arbeitslosengeld.

  • Absenkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung

    Die Agentur für Arbeit senkt die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um 0,4 Prozentpunkte und um weitere 0,1 Prozent bis Ende 2022.

Die Digitalisierung schreitet weiter fort, was die Kluft zwischen mehr oder weniger qualifizierten Arbeitnehmern noch verstärkt.  ( Foto: Shutterstock-New Africa)

Die Digitalisierung schreitet weiter fort, was die Kluft zwischen mehr oder weniger qualifizierten Arbeitnehmern noch verstärkt. ( Foto: Shutterstock-New Africa)

Weiterbildung: Arbeitsamt und Kurzarbeit

Die schwierige Situation, die durch die Corona-Krise bedingt wurde, zwingt viele Unternehmen zur Beantragung von Kurzarbeitergeld. Die Zeit der Kurzarbeit können Angestellte aber auch für die eigene Weiterbildung nutzen.

Bei richtiger Nutzung der Förderung, die von der Agentur für Arbeit im Rahmen der Qualifizierungsoffensive angeboten wird, kann Kurzarbeit sogar überflüssig werden. Wenn die Mitarbeiter in der Zeit durch Weiterbildungen gebunden sind, bekommen sie vom Arbeitsamt die ausgefallenen Lohnkosten ersetzt.

Werden künftig weniger Arbeitsplätze vorhanden sein?

Es geht hierbei nicht um den konjunkturbedingten Abbau von Stellen, sondern um die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, die durch die fortschreitende Digitalisierung hervorgerufen werden. Die Studie zur Anpassung des Arbeitsmarktes an die Herausforderungen der Zukunft besagt, dass es große Umbrüche in der Arbeitswelt geben wird.

Die anfänglich zahlenmäßig geringeren Arbeitsplätze werden wieder geschaffen werden, und zwar durch die Digitalisierung und ihre neuen Herausforderungen. Die Studie spricht hier von rund eineinhalb Millionen Arbeitsplätzen bis 2035, die praktisch ausgetauscht werden.

Durch die Digitalisierung selbst werden keine zusätzlichen Arbeitslosen auf die Agentur für Arbeit zukommen. Vielmehr werden sich die Herausforderungen an die Arbeitnehmer wandeln, denn vor allem die Informations- und Kommunikationsbranche wird der Gewinner dieses Umbruchs sein. Rückläufig können aber die Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe sein.

Welchen Zweck hat das Qualifizierungschancengesetz?

Aus der Studie geht hervor, dass sich Arbeitnehmer umstellen müssen, denn die Herausforderungen der neuen Zeit sind mit denen der heutigen Zeit nicht zu vergleichen. Durch das Qualifizierungschancengesetz soll es den Angestellten möglich sein, an Weiterbildungen teilzunehmen.

Viele Unternehmen schrecken davor zurück, ihre Angestellten zu Weiterbildungen zu schicken. Nicht aus dem Grund, weil sie in dieser Zeit ausfallen, sondern weil Weiterbildungen Geld kosten.

Geld, was einige Unternehmen nicht haben oder aufgrund einer schwierigen wirtschaftlichen Situation nicht ausgeben wollen. Durch das Qualifizierungschancengesetz soll dieser Grund verschwinden, denn nun übernimmt das Arbeitsamt einen Teil der Kosten.

Anspruch auf diese Förderung haben alle Arbeitnehmer. Dabei stehen verschiedene Qualifizierungen zur Auswahl, über die die Beschäftigten neue Kompetenzen erwerben sollen.

Video: Qualifizierungschancengesetz beschlossen

Die Agentur für Arbeit und andere fördern: Diese Möglichkeiten bietet das Qualifizierungschancengesetz

Die Agentur für Arbeit geht verschiedene Wege, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, wenngleich sie durch die aktuelle Corona-Situation vor täglich neue Herausforderungen gestellt wird. Als das Qualifizierungschancengesetz verabschiedet worden ist, war diese Situation nicht absehbar. Nun kann die Qualifizierungsoffensive aber wahrscheinlich besonders von Nutzen sein.

Was ist die WeGebAU-Förderung?

Das Förderprogramm zur Steigerung der Qualifizierung in Unternehmen wird als „WeGebAU-Förderung“ bezeichnet und ist seit 2006 aktiv.

Die Agentur für Arbeit zeichnet dafür verantwortlich und drei Förderschwerpunkte festgesetzt, die auf unterschiedliche Gruppen von Arbeitnehmern ausgerichtet sind:

  • Beschäftigte in kleinen Unternehmen bis 250 Mitarbeiter
  • geringqualifizierte Beschäftigte
  • Mitarbeiter ohne Abschluss

Das Programm heißt mit vollem Namen „Weiterbildung geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen“. Die WeGebAU-Förderung steht den oben genannten Arbeitnehmergruppen zu, wobei diese sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein müssen. Wie die WeGebAU-Förderung konkret aussieht, ist vom Alter und der Qualifizierung des Arbeitnehmers sowie von der Größe des Unternehmens abhängig.

Die Förderung ist vor allem für den Bereich der Altenpflege interessant. Hier gibt es viel zu wenige Fachkräfte, viele Mitarbeiter in der Altenpflege sind kaum oder geringqualifiziert. Gleichzeitig ergreifen immer weniger junge Menschen Pflegeberufe, weshalb die Altenpflege regelrecht überaltert.

§ 82 SGB III: Wie sieht die Förderung beschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus?

Der § 82 SGB III besagt, dass Arbeitnehmer eine Förderung erhalten können, die die volle oder teilweise Übernahme der Kosten für die Weiterbildung enthält. Dies ist möglich, wenn im Rahmen der Weiterbildung Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, die über die arbeitsplatzbezogenen Anforderungen hinaus gehen oder wenn dadurch der Erwerb des Berufsabschlusses ermöglicht wird.

  • 82 SGB III erlaubt die Kostenübernahme durch die Agentur für Arbeit auch dann, wenn der Betreffende in den zurückliegenden vier Jahren nicht an einer beruflichen Weiterbildung teilgenommen hat. Wichtig: Die Maßnahme muss mehr als 120 Stunden dauern und muss außerhalb des Betriebs oder von einem externen Träger durchgeführt werden.
Das Arbeitsamt bietet verschiedene Möglichkeiten zur Weiterbildung.  ( Foto: Shutterstock-Golubovy  )

Das Arbeitsamt bietet verschiedene Möglichkeiten zur Weiterbildung. ( Foto: Shutterstock-Golubovy )

Wie sieht die Weiterbildung über die Agentur für Arbeit aus?

Das Arbeitsamt bietet verschiedene Möglichkeiten zur Weiterbildung. Zum einen wird der berufliche Aufstieg durch Weiterbildungen gefördert, zum anderen die berufliche Qualifizierung, zu der auch das Nachholen des Berufsabschlusses gehört.

Umschüler, Quer- und Seiteneinsteiger erhalten ebenso eine Förderung wie berufliche Wiedereinsteiger. Verschiedene Förderprogramme und Möglichkeiten wie der Bildungsgutschein oder die Bildungsprämie helfen dabei, beruflich Fuß zu fassen.

Was ist das Arbeit-von-morgen-Gesetz?

Das Arbeit-von-morgen-Gesetz wurde am 15. Mai 2020 durch den Bundesrat beschlossen und hat das Ziel, die Qualifizierung und Weiterbildung von Beschäftigten und Lehrlingen zu fördern.

Es geht in dem Gesetz um:

  • Erleichterungen zum Kurzarbeitergeld,
  • Sonderregelungen zur betrieblichen Mitbestimmung sowie
  • die Aus- und Weiterbildung der Angestellten.

Das Arbeit-von-morgen-Gesetz soll überdies höhere Zuschüsse bei Weiterbildungsmaßnahmen ermöglichen.

Video: Qualifizierungschancengesetz – Notwenigkeit und Kritikpunkte

Aktuelle Regelungen zum Qualifizierungschancengesetz

Das Qualifizierungschancengesetz ist durch einige Vorgaben in seiner Anwendung definiert

Die folgenden Kriterien müssen erfüllt sein, wenn Zuschüsse beantragt werden sollen:

  • Berufsausbildung des Mitarbeiters liegt vier Jahre und länger zurück
  • vor mindestens vier Jahren war die letzte Weiterbildungsmaßnahme
  • vermittelte Fähigkeiten sind nicht für den aktuellen Job anwendbar
  • Dienstleister für die Weiterbildung muss dafür zugelassen sein
  • Maßnahme dauert mindestens 160 Stunden

Wichtig: Es müssen alle diese Kriterien erfüllt sein, andernfalls fördert das Arbeitsamt keine Weiterbildungen. Dabei ist der Punkt des Nutzens für den momentanen Job nicht ganz einfach zu sehen, denn in vielen Fällen sind die Weiterbildungen, die sich auf andere Bereiche des Berufes beziehen, auch für den aktuellen Job nützlich. Sie fördern zumindest das Denken über den Tellerrand hinaus. Insofern muss dieser Punkt nur richtig dargestellt werden, wenn das Arbeitsamt die Weiterbildung fördern soll.

Welche Kritik gibt es am Qualifizierungschancengesetz?

Das Qualifizierungschancengesetz hat durchaus Nachteile, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind.

Doch zuerst ein Blick auf die Vorteile des Gesetzes:

  • Anpassung des Arbeitnehmers an die Veränderungen der Arbeitswelt durch kurze Abstände von vier Jahren zwischen den Weiterbildungen möglich
  • keine Einbußen bei Lohn und Gehalt während der Weiterbildung
  • Arbeitgeber bekommt einen Zuschuss zu den Weiterbildungskosten
  • Mitarbeiterzufriedenheit steigt durch mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung
  • Unternehmensbindung wird durch Ermöglichung der Fortbildung gestärkt
Die Zeit der Kurzarbeit können Angestellte aber auch für die eigene Weiterbildung nutzen. ( Foto: Shutterstock- Rawpixel.com)

Die Zeit der Kurzarbeit können Angestellte aber auch für die eigene Weiterbildung nutzen. ( Foto: Shutterstock- Rawpixel.com)

Der Arbeitnehmer profitiert in jedem Fall vom Qualifizierungschancengesetz, dennoch sehen viele Experten die Sache kritisch. Denn: Es werden nur externe Weiterbildungen gefördert und solche, die sich nicht direkt auf den jetzigen Job des Angestellten beziehen. Dies ist insofern von Nachteil, weil damit für das Unternehmen nicht relevante Aspekte förderfähig sind.

Viele Firmen würden davon profitieren, wenn ihre Mitarbeiter für die aktuelle Position besser qualifiziert wären und weiteres Fachwissen dafür erwerben würden. Außerdem ist es erwiesen, dass eine externe Weiterbildung weniger effektiv ist, weil der Kontext dort anders ist. Es wäre für den Mitarbeiter gewinnbringender, wenn wirklich relevante Aspekte angesprochen werden könnten.

Wer nach der Weiterbildungsmaßnahme länger auf seiner aktuellen Position bleibt, vergisst das erworbene Wissen meist wieder bzw. gehen Dinge, die sich auf aktuelle Gegebenheiten beziehen, wieder verloren. Das kann zum Beispiel Themen aus dem Bereich neuer Technologien betreffen. Wer dieses Wissen nie anwenden muss, vergisst es rasch oder es veraltet.

Kritisch ist zudem die Genehmigung bzw. die Vorgehensweise zur Genehmigung zu sehen. Jede Weiterbildungsförderung muss separat beantragt werden, was seitens einiger Verbände scharf verurteilt wird. Wenn auf der einen Seite ein Rechtsanspruch auf Weiterbildungsmaßnahmen besteht, warum sollte auf der anderen Seite eine ständige Genehmigung eingeholt werden? Dies bedeutet einen unnötigen Verwaltungsaufwand, der einige Unternehmen davon abhält, die Förderungen für einzelne Maßnahmen zu beantragen.

Der wohl größte Kritikpunkt am Qualifizierungschancengesetz betrifft Selbstständige. Sie können das Gesetz in keiner Weise für sich nutzen, da sie nicht sozialversicherungspflichtig sind. Selbst diejenigen, die in der Rentenversicherung pflichtversichert sind, zahlen keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Dies wiederum begründet den Ausschluss der Selbstständigen und Freiberufler vom Qualifizierungschancengesetz.

Wer nichts einzahlt, kann keine Leistungen beanspruchen, dies klingt erst einmal logisch. Doch der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Förderung der Ausbildung von Fachkräften scheint damit nicht mehr zu gelten.

Der letzte an dieser Stelle zu erwähnende Kritikpunkt betrifft die Regelungen zur Firmen, die weniger als zehn Mitarbeiter beschäftigen, können auf die volle Kostenübernahme für Weiterbildungsmaßnahmen hoffen. Die Hälfte der Kosten gibt es für Firmen, die weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen.

Größere Unternehmen hingegen bekommen höchstens noch ein Viertel der Gesamtkosten für die Fortbildungsmaßnahmen, auch wenn es ihnen wirtschaftlich nicht besser geht als einem kleinen Unternehmen.

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